Mehr als Pech oder Kopfsache? FCM-Heimschwäche: Analyse liefert verrückte Zahlen und Erklärungsansätze
Der 1. FC Magdeburg kämpft mit seiner Heimschwäche. Die Datenanalyse von Magdeburg Blau-Weiß und Virtualfootball zeigt absurde Zahlen und erste Erklärungsansätze.

Magdeburg/DUR – Auf eine nie dagewesene Serie an sieglosen Spielen blickt der 1. FC Magdeburg zurück. Den letzten Heimdreier holte sich der Club vor fast einem Jahr. Auswärts hingegen ist der FCM Ligaprimus.
Magdeburg Blau-Weiß geht gemeinsam mit den Datenexperten von "Virtualfootball" auf den Grund, woran das liegen könnte und vergleicht die Heimspiele mit den Auswärtsspielen des 1. FCM. Ist alles nur Glück oder Pech und gehen die Gründe doch tiefer?
Es steht außer Frage: Der FCM ist auswärts deutlich erfolgreicher als zu Hause. Die Tabelle lügt nicht. In der Avnet-Arena holte Magdeburg in dieser Saison keinen Sieg, lediglich sieben Punkte und 9:14 Tore in neun Spielen.
Kurios: FCM ist daheim sogar spielstärker als auswärts
Trotzdem ist der Club rein spielerisch zu Hause stark. Rein was Ballbesitz, Spielkontrolle, Umschaltsituationen und das allgemeine Abwehrverhalten angeht, ist die Titz-Elf nach Zahlen in der Avnet-Arena sogar stärker als auswärts!
Zudem kommt der FCM häufiger zum Abschluss (13,9 Schüsse pro 90 Minuten zu Hause vs. 11,4 Abschlüsse auswärts), die Passquote ist ein Prozent höher, der Ballbesitz sogar fünf Prozent höher als auf fremden Rasen. Auch erarbeitet sich der Club auswärts mehr Ballaktionen im gegnerischen Strafraum.
Ähnliches gilt für die Ballverluste im eigenen Drittel, die beim Spiel in der Avnet-Arena bedeutend weniger sind als auf fremdem Geläuf. Zudem lässt das Team weniger gegnerische Abschlüsse zu (nur 9,4 Gegnerschüsse zu Hause pro Spiel, während es auswärts 14,0 sind).
FCM spielt sich in Avent-Arena zu wenig klare Chancen raus
Umso mehr stellt sich die Frage: Warum punktet der FCM in Magdeburg so viel schlechter als in anderen Städten? Ansätze zur Erklärung liefern die Zahlen aber auch.
Der FCM kreiert hohen Angriffsdruck und belagert in Heimspielen regelmäßig den gegnerischen Sechzehner mit Ballsicherheit und guter horizontaler Staffelung. Das Problem ist aber, dass bedeutend wenig Großchancen daraus entstehen und der FCM diese dann auch inkonsequent nutzt.

In Zahlen ausgedrückt: Der Club hat zu Hause durchschnittlich mehr als 21 Ballkontakte im gegnerischen Strafraum, kommt aber nur etwas mehr als siebenmal zum Abschluss innerhalb der Box. Folglich sind die Abschlusspositionen weniger erfolgversprechend und auch die erwarteten Tore fallen geringer aus als auswärts (Heim: 1.28 xG/90min vs. Auswärts: 1.63 xG/90min).
Wesentlich schlimmer ist aber, wie verschwenderisch der FCM mit seinen Chancen umgeht: Von insgesamt 12,6 erwarteten Heimtoren erzielten die Magdeburger nur neun Treffer – das sind fast vier Tore zu wenig.
Magdeburg kassierte daheim viele unwahrscheinliche Gegentore
Doch nicht nur im gegnerischen Strafraum haperte es bisweilen bei den Magdeburgern. Auch im eigenen Drittel und im eigenen Sechzehner steht der FCM nicht gut da. Zusätzlich zu der eigenen Ineffizienz bei Chancen, hatte man auch Pech mit einer überdurchschnittlichen Effizienz der Gegner in Heimspielen. 14 Gegentore kassierte man bei nur 10,6 erwarteten Gegentreffern.
Zusammengefasst: Man kassierte ein Drittel zu viele Gegentore, während man selbst auch um ein Viertel unterperformte. In Zahlen ausgedrückt ist das erwartete Torverhältnis 12,6:10,5, das tatsächliche Torverhältnis in Heimspielen aber 9:14.
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Besonders auffällig: Von den 14 Gegentoren fielen auch noch drei Treffer durch Elfmeter (Fürth, Braunschweig, Kaiserslautern). Das kostete dem 1. FC Magdeburg jeweils direkt Punkte.
FCM hat ein Problem, den "Deckel drauf zu machen"
Weitere sechs Gegentreffer fielen zudem durch Schüsse aus Positionen heraus, die eigentlich eine geringe Torwahrscheinlichkeit aufweisen (weniger als 0.1 xG). Beispiele sind die Schlenzer von der Strafraumkante in den Winkel gegen Schalke, Fürth, Hertha und Karlsruhe.
Ein weiterer Faktor ist, dass der Club in Heimspielen tendenziell weniger "nachlegt", wenn er in Führung gegangen ist. Insgesamt schenkte man so in sechs von neun Heimspielen eine Führung her. Lediglich ein einziges Tor schoss der FCM in Führung liegend, gegen Greuther Fürth erhöhte man auf ein 2:0.
Zu selten schaffte es der Club, vielversprechende Großchancen zu erspielen oder effizient nachzulegen. Das liegt auch einem weiteren und letzten Faktor: In Zweikämpfen ist die Titz-Elf schlechter als in Auswärtsspielen. Man wird bei eigener Führung zunehmend unkonzentrierter in der Zweikampfführung.
Tendenz: Der FCM tut sich daheim nach Führungen schwer
Der FCM gewann bei Heimspielen in Führung liegend nur noch 60 Prozent seiner Duelle gegen den Ball und 36 Prozent seiner Luftduelle, während es regulär 64 bzw. 48 Prozent sind. Eine Diskrepanz, die dafür sorgt, dass unter anderem eigene Standards offensiv in diesen Spielphasen kaum für Gefahr sorgen und gegnerische Standards vermehrt zu Abschlüssen führen.
Ebenfalls anfälliger zeigte man sich in diesen Spielsituationen gegenüber gegnerischen Dribblings, der Konterabsicherung sowie der Abwehr langer Bälle. Diese Umstände könnten auf eine wachsende Unsicherheit, wenn man in Führung liegt, zurückzuführen sein, also die Sorge "etwas zu verlieren“. Die mögliche Folge: die letzte Konsequenz in den Aktionen mit und gegen den Ball fehlt.
Fazit: Nach einer gehörigen Portion Spielpech sollte bald aber auch der Zeitpunkt eintreffen, wo das Spielglück vor heimischer Kulisse zurückkehrt. Dann kann der FCM auch wieder selbstbewusster in seinen Aktionen auftreten – so wie er es auch auswärts macht.