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Podcast-Duo im Interview Mit Video: FCM-Fans und Podcaster Alexander Schnarr und Thomas Haufe - „Diese Emotionalität ist weg“

Seit über 300 Folgen wühlen sich Alexander Schnarr und Thomas Haufe in ihrem Podcast „Nur der FCM!“ durch Siege, Niederlagen und Entscheidungen des 1. FC Magdeburg. Sie kommentieren, diskutieren und zählen zu den wohl kritischsten Stimmen in der FCM-Medienlandschaft.

Von Nico Esche 19.11.2023, 06:00
Alexander Schnarr (l.) und Thomas Haufe gründeten 2016 den FCM-Podcast "Nur der FCM!".
Alexander Schnarr (l.) und Thomas Haufe gründeten 2016 den FCM-Podcast "Nur der FCM!". Fotos: IMAGO / Jan Huebner; privat | Montage: Nico Esche

Magdeburg – Seit 2016 quatschen, diskutieren und plaudern Alexander Schnarr und Thomas Haufe in ihrem Podcast „Nur der FCM!“ über den 1. FC Magdeburg. Ungeschönt und unverblümt kommentieren die beiden Ergebnisse und Entscheidungen des Vereins uns scheuen nicht vor starken Meinungen zurück.

 
Im Interview: Alexander Schnarr und Thomas Haufe vom FCM-Podcast "Nur der FCM!". (Reporter/Schnitt: Nico Esche)

Inmitten der zweiten Zweitligasaison der „Größten der Welt“, feierte der Podcast seine 300. Folge vor Live-Publikum. Darüber und warum bei den beiden langjährigen FCM-Fans die Zuneigung dem Club gegenüber einen tiefen Kratzer erhalten hat, erzählen sie im Interview.

Thomas und Alex, ihr dürft einen Ex-Spieler zurückholen nach Magdeburg. Wer soll das sein und warum?

Alex: Der erste Name, der mir im Kopf herumschwirrt, ist Felix Schiller. Großgewachsener, kompromissloser Innenverteidiger, einfach ein Typ der auch mal die rustikale Gangart auspackt, wenn es mal nötig wird und auch mal das Publikum und die eigene Mannschaft mitreißt. Das fehlte mir beim letzten Spiel des FCM gegen Rostock ein wenig.

Thomas: Dirk Heyne. Weil wir einen Torwart brauchen, der auch mal hohe Bälle fangen kann. Das ist auch ein gern gesehenes Mittel gegen uns, Flanken bei uns hoch hereinzuzimmern. Da bräuchten wir einen Torwart, der nicht nur auf der Linie klebt.

Wie seid ihr zum FCM gekommen?

Alex: Das ist lange her. Ich bin über Mitschülerinnen und Mitschüler und das relativ spät, erst in der Oberstufe, zum Verein gekommen. Die sind immer wieder ins Stadion gegangen, da bin ich mit. Das Pokalspiel gegen den 1. FC Köln im Jahr 2000, das war das Spiel, bei dem ich danach zu meinen Eltern gegangen bin und sie geschockt habe mit der Aussage: ‚Ich bin jetzt FCM-Fan‘.

Thomas: Ich habe selber lange Fußball gespielt, da haben wir oft gegen den 1. FC Magdeburg gespielt, da kam es eigentlich für mich nie infrage Fan des FCM zu werden. Das ging bei mir erst los, als ich 2000 meine Ausbildung begonnen habe und nach München ging. Im selben Jahr besiegte der FCM die Münchener im Pokal, der Tag danach war in der Firma natürlich schön, ich glaube so hoch hing meine Nase lang nicht. Als ich zurückkam nach Magdeburg, ging es dann richtig los.

"In erster Linie sind wir Clubfans. Was man am meisten liebt, umso kritischer ist man da unterwegs."

Alexander Schnarr, Moderator 'Nur der FCM!-Podcast'

Was denkt ihr über die immer wieder aufkochenden Diskussionen: die Trainer-Frage, die Torwart-Frage, die Stürmer-Frage?

Thomas: Ich bin der Meinung, dass es mal ganz guttut solche Sachen kritisch zu begleiten. Themen wie Mittelstürmer oder Torwart sind welche, die man durchaus diskutieren kann. Ich finde diese Diskussionen richtig und wichtig, solange sie auf einer sachlichen Ebene stattfinden.

Alex: Diese Diskussionen sind ein Stückweit normal bei unserem Verein, da ist alles entweder sehr cool oder alles ganz furchtbar, da gibt es für manche wenig grau dazwischen. Wir haben einen Trainer, der einen bestimmten Stil verkörpert. Grundsätzlich kann ich dem einiges abgewinnen, aber es wird dann problematisch, wenn es offensichtlich wird, wenn einige Dinge nicht funktionieren. Aktuell unter anderem die Offensive. Ich finde, dafür, dass wir acht Spiele nicht gewonnen haben, ist es verhältnismäßig ruhig und behaglich im Umfeld. Ich habe da schon andere Situationen beim FCM erlebt.

Zum Beispiel?

Thomas: Ein Jens Härtel. Da wurde nach wesentlich weniger verlorenen Spielen medial viel mehr Stimmung gemacht.

Alex: Man erinnere sich gern an die unsägliche Saison, als wir drei Trainer verschlissen haben. Da war viel mehr Unruhe. Das hat, glaube ich, auch viel mit dem oft beschworenen Credit, den Erfolgen und der Attraktivität des Spiels von Titz zu tun.

Thomas, wann bist du das letzte Mal im Zusammenhang mit dem FCM komplett eskaliert?

Thomas: Gute Frage … komplett positiv eskaliert, das war als Philip Türpitz das 2:1 beim Spiel gegen Hamburg machte. Negativ, die Drittligazeit, als es so gar nicht lief, als es unter Thomas Hoßmang arg Richtung Abstieg ging.

Philipp Türpitz vom 1. FC Magdeburg im April 2019, kurz nachdem er das 2:1-Siegtor in Hamburg gegen den HSV schoss: komplette Eskalation.
Philipp Türpitz vom 1. FC Magdeburg im April 2019, kurz nachdem er das 2:1-Siegtor in Hamburg gegen den HSV schoss: komplette Eskalation.
Foto: IMAGO / Jan Huebner

Alex, was bedeutet für dich Fußballtradition?

Alex: Zu wissen, wo man herkommt. Ein Stückweit Demut, es gab eine Zeit, da ging es uns nicht gut und das ist noch gar nicht so lange her. Auch aber sich der Erfolge zu besinnen, darauf stolz zu sein, Identität. Auch Werte wie Zusammenhalt, Gemeinschaft, Ehrlichkeit, Grundtugenden eben.

Thomas, du bist oft regelfest in eurem Podcast, woher kommt deine Expertise im Fußball?

Thomas: Ich habe lange selber Fußball gespielt. Fußball hat einen großen Anteil in meinem Leben. Ich habe großes Interesse am Sport, war selber im Jugendbereich als Trainer tätig, habe den Trainerschein gemacht, später habe ich angefangen einen Schiedsrichterschein zu machen. Ich lese sehr viel und schaue auch viele Spiele. Da nimmt man einiges mit.

Im Juli 2016 startete der „Nur der FCM!“-Podcast. Wie habt ihr euch kennengelernt und was hat euch dazu bewogen den Podcast zu machen?

Alex: Kennengelernt haben wir uns ganz klassisch im Stadion. Wir standen nebeneinander im Block, bei irgendeiner Twitterdiskussion später, meldete sich Thomas: ‚Ja, ich weiß, ich stand beim Spiel neben dir‘. Da dachte ich mir, ach ja, das ist der Bursche, mit dem ich mich im Stadion unterhielt, das fetzt. Und da war schnell klar, dass der Blick auf den Verein von uns beiden, dass wir da auf einer Wellenlänge sind. Der Blog existierte da bereits, und ich wollte einen Podcast machen. Das wollte ich aber nicht allein machen.

Gefeiert habt ihr erst vor wenigen Wochen die 300. Folge. Vor Live-Publikum. Wie hat sich das angefühlt?

Alex: Das hat total Spaß gemacht, das war so ganz anders. Wir haben großartige Hörer, das war auch der Kreis, den wir eingeladen haben. Es war wie ein Heimspiel. Live Reaktionen zu bekommen, das ganz drumherum, hat große Freude gemacht. Thomas, wie war es denn für dich?

Thomas: Warte …: Alles das, was Alex sagt (schmunzelt).

Kann man euch dann künftig öfter auf der Bühne sehen? Wird es dann bald die große Deutschland-Tournee geben?

Alex: Eine Deutschland-Tour, das muss mit dem Arbeitgeber und den Familien abgestimmt werden, das sehe ich jetzt nicht so. Wir hatten früher immer mal wieder online live experimentiert, das könnte man auch mal wieder aufleben lassen. Live vor Publikum war etwas Besonderes, das soll auch besonders bleiben, aber das werden wir sicherlich wiederholen.

Einmal im Jahr wird euer Phrasenschwein geschlachtet. Was ist diese arme Sau und was passiert mit dem Geld?

Alex: Für jede Phrase, die im Podcast herausgehauen wird, stecken wir einen Euro in unser Phrasenschwein und spenden das Geld. Es gibt auch Hörer, die weiteres Geld zuschießen. Das Geld geht dann an gemeinnützige Einrichtungen, mit einem konkreten Spendenzweck und mit Bezug zu Kindern und Jugendlichen in Magdeburg. Letztes Jahr waren es 8000 Euro. Dafür, dass wir einen Haufen Blödsinn erzählen, haben wir hier die Möglichkeit auch etwas Gutes zu tun. Das Spenden ist ein wichtiger Bestandteil des Podcasts. Wir liefern den Ton, das Geld liefern diejenigen, die sich da finanziell engagieren.

Ihr redet in eurem Podcast unverblümt und ungeschönt über den Verein und dessen Entscheidungen, der Leistung der Mannschaft. Ist das aus einer Emotion heraus geboren? Ist euch diese Art schon mal um die Ohren geflogen?

Alex: Wir kriegen schon immer mal Mails mit Kritik von Leuten, die manches anders sehen. Das finde ich gut und ist auch richtig so. Aber um die Ohren geflogen nicht. Im Gegenteil, ich habe eher das Gefühl, dass die Leute unsere Authentizität wertschätzen. Denn in erster Linie sind wir Clubfans. Was man am meisten liebt, umso kritischer ist man da unterwegs.

Thomas: Teile ich so. Ja, klar, es gibt auch mal Stimmen und Texte, die man bekommt, die nicht so pralle waren. Da lernt man mit umzugehen. Man kommt ins Gespräch mit dem Verein ... was wir schon für tolle Gespräche hatten, das macht schon Spaß. Da lassen wir uns auch nicht verbiegen.

Ist das vielleicht auch Teil des Erfolgs eures Podcasts? Eine starke Meinung, gepaart mit Expertise und von charismatischen Köpfen vorgetragen?

Alex: Wir sitzen da ja nicht am Reißbrett und überlegen, wie wir unsere Reichweite erhöhen wollen. Wir quatschen beide einmal die Woche über den FCM, das ist ein wichtiger Termin. Wir machen das nicht, um reich zu werden oder um drei Millionen Menschen zu erreichen, sondern weil es uns Spaß macht – und wir versuchen authentisch zu sein, und wenn Leuten das gefällt ist das schön. Wenn es Leute gibt, die das total doof finden, ist das auch in Ordnung. Es gibt, glaube ich, kein demokratischeres Medium als Podcast – man muss es nicht hören, wenn man nicht will.

Thomas, fällt es dir denn manchmal schwer, gerade nach einer Niederlage, dich zu motivieren für den Podcast?

Thomas: Ne, eher im Gegenteil, ich freue mich immer auf den Mittwoch. Da kann man gut Dampf ablassen, das Verarbeiten. Es ist ja schon krass, was dieser Sport mit einem macht. Da ist dieser Termin, den wir seit sieben Jahren haben, eine schöne Sache, diese Emotionen auch mal herauszulassen. Das ist fürs Seelenheil auch immer mal wieder gut.

Alex, du sprichst immer wieder von der ‚1. FC Magdeburg Spielbetriebs GmbH‘, wenn der FCM gemeint ist. Wann kam der Moment, als die Emotion in solch eine Ernüchterung kippte?

Alex: In meinem Kopf gibt es den FCM als Verein, mit sehr vielen sehr coolen Leuten, die man die Zeit über kennengelernt hat. Und dann gibt es den Profifußball. Wo es eine Entwicklung gibt, bei der die Identifikation so ein wenig verloren ging. Gerade in der Corona-Zeit gab es einige Sachen, die mir nicht gut gefallen haben. Die in mir Unbehagen erzeugten. Die ich aber gut trennen kann von dem, was der FCM eigentlich für mich ist: Familie, Freunde, Zusammenhalt, das überdauert. Das ist wichtiger als der ganze Profifußballzirkus, auf den wir aber auch hingearbeitet haben.

Thomas: Es gibt so Sachen, die kommen sicherlich nicht wieder. Gerade die Zeit zwischen 2014 und 2018, mit dem Aufstieg in Offenbach und die drei Jahre in der 3. Liga. Man identifizierte sich anders mit der Mannschaft. Es gab Spieler, die länger blieben als nur zwei Jahre. Sie waren greifbar. Heute hat man sich entfremdet, Corona hatte seinen Teil, was mehr am Profifußball generell lag und den Entscheidungen, die dort getroffen wurden. Diese Emotionalität, wie ich sie damals gelebt habe, ist weg.

Kam es dann vielleicht auch wenig unerwartet, diese Regeln des modernen Profifußballs?

Thomas: Es ist ja auch immer die Frage, wie unterwerfe ich mich selbst Regeln? Man kann sich auch im Profifußball anders verhalten, als die große graue Masse. Es gibt ja Mannschaften, wie St. Pauli oder dem SC Freiburg, die manche Sachen anders machen. Pauli will zum Beispiel keine Verträge mehr eingehen mit Wettanbietern, was ich großartig finde. Man sieht, es geht auch anders. Man muss sich nicht allem unterwerfen.

Alex, ist das ein Symptom des sprichwörtlichen ‚Schlafenden Riesen FCM‘, der nun erwacht scheint?

Alex: Du kannst das eine ohne das andere schlecht haben. Ich bin froh und dankbar, dass ich in den Verein so sozialisiert wurde, dass ich in den Aufstieg und das Wachstum miterlebte. Es gibt Leute, die lernen den Verein so kennen, wie er jetzt ist. Wenn man mit denen in zehn Jahren spricht, haben die eine andere Fan-Sozialisation hinter sich. Aber muss man per se bei allem Ja und Amen sagen, jedem Geldschein hinterherlaufen, überspitzt gesagt? Da gibt es auch ökonomische Zwänge im Verein. Wir könnten ein Verein sein, der Ecken und Kanten hat. Doch das geht leider verloren.

Das klingt alles sehr negativ.

Thomas: Es ist ja nicht so, dass ich mich nicht mehr über Siege freuen kann …

Alex: … oder über Niederlagen ärgere.

Thomas: Das ist doch das Schöne am Sport. Wenn du gewinnst, ist alles schöner. Über Niederlagen ärgere ich mich sehr. Aber ja, diese krasse Bindung ist weg.

Alex: Natürlich bist du emotional, erst recht im Stadion. Da wird geschimpft und das ist normal. Man kann wollen, dass der FCM erfolgreich ist und gleichzeitig die Kommerzialisierung des Vereins scheiße finden. Das ist ja diese Schizophrenie, das widerspricht sich nicht. Entscheidungen dürfen kritisch begleitet werden.

Ergänzt bitte den Satz: Ohne den FCM … ?

Thomas: … würde mir definitiv was fehlen.

Alex: Wir sollten einen Podcast machen, ich hätte das gleich gesagt.

Thomas, was schätzt du ganz besonders an Alex und umgekehrt?

Thomas: Das ist einfach. Diese moderierende Art, mit der er mich immer wieder einfängt. Es fällt mir in manchen Situationen auch mal schwer ruhig zu bleiben, das moderiert Alex gut weg und schafft es innerhalb des Podcasts ein Gleichgewicht herzustellen.

Alex: Meine Antwort ist da komplementär. Ich mag Leute gern, die ihr Herz auf der Zunge tragen und das schätze ich an Thomas sehr. Deswegen passt das bei uns beiden gut.

Alex und Thomas, vielen Dank für das Gespräch.