EMOTIONALE EINBLICKE Tränen und Existenzängste: Wie der FCM Baris Atik aus der Krise befreite
Baris Atik hat zu seiner alten Stärke zurückgefunden und mischt mit dem 1. FC Magdeburg die Liga auf. Trotz des momentanen Höhenflugs bleibt der Spielmacher bescheiden. Denn er weiß, wie schnell es auch in die andere Richtung gehen kann.

Magdeburg/DUR - Baris Atik ist der Denker und Lenker im Spiel des 1. FC Magdeburg. Seit er vor ein paar Wochen von seiner Verletzung zurückgekehrt ist, gehört er wieder zu den entscheidenden Akteuren auf dem Platz und führt den FCM durch die aktuelle starke Phase.
Dass er mal so ein zentraler Faktor in einer erfolgreichen Mannschaft wird, ist für Atik nicht selbstverständlich. Bevor er nach Magdeburg kam, musste er eine schwere Zeit durchmachen und dachte dabei auch ans Aufhören.
Über die Höhen und Tiefen seiner Karriere sowie seine Ziele mit dem Club sprach er im Podcast des FCM, bei dem er vor dem Nürnberg-Spiel zu Gast war.
Atiks Verletzungsprobleme in der aktuellen Saison
Der Spielmacher genießt die aktuelle Phase, in der sein Team die Liga aufmischt. “Die Entwicklung der Mannschaft ist außergewöhnlich”, findet Atik. Zum guten Saisonstart konnte er allerdings kaum etwas beitragen. Er plagte sich mit Verletzungen herum und verpasste acht Spiele.
“Es war eine harte Zeit, weil ich noch nie so richtig eine Muskelverletzung in meiner Karriere hatte”. Nachdem die erste Verletzung überwunden schien, traten die Probleme wieder auf. Ein entzündeter Zahn wurde als eine Ursache für die Beschwerden ausgemacht, so Atik.
Dass er nach der langen Ausfallzeit nun so stark zurückgekehrt ist, kommt für den 30-Jährigen nicht überraschend: “Ich bin ein Kämpfer, habe eine starke Mentalität und ich kenne meine Qualitäten.”
FCM-Star Atik: Vom A-Jugend-Meister bis zur Vereinslosigkeit
Die Fähigkeiten eines Kreativspielers habe er im Kindesalter auf dem Bolzplatz gelernt, erzählt Atik. Der Straßenfußballer aus Frankenthal geriet schnell in das Blickfeld größerer Vereine. Er wechselte mit 17 Jahren in die A-Jugend der TSG Hoffenheim, mit der er im Sommer 2014 unter Trainer Julian Nagelsmann die deutsche Meisterschaft gewann.
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Der heutige Bundestrainer verhalf Atik zwei Jahre später auch zu seinem Bundesliga-Debüt für Hoffenheim. Schon damals merkte der junge Angreifer, wie talentiert sein Übungsleiter war. “Er war ein gieriger Trainer, der wirklich sehr viel verlangt hat”, berichtet Atik.
Allerdings erlebte Atik auch die Kehrseite des Profifußballs. Nach dem Abstieg mit Dynamo Dresden aus der zweiten Liga im Sommer 2020 wollte er einen neuen Schritt wagen, aber er fand keinen neuen Verein. Zwar hatte er Anfragen, aber etwas Passendes war nicht dabei, so Atik.
FCM-Angebot: Atik und seine Zweifel
Je länger er ohne Verein blieb, desto schlechter sei es ihm ergangen. “In der Zeit war ich in der Hölle. Da habe ich krass viel durchgemacht. Ich glaube, ich habe sehr viele Tränen vergossen und über die Karriere nachgedacht”, blickt Atik zurück.
In dieser Phase hätten ihn Existenzängste und Panikattacken geplagt. “Ich wollte nicht mehr Fußball spielen, weil mich das alles so belastet hat”, verrät Atik.

Doch er ließ sich nicht hängen, organisierte sein eigenes Training und fand schließlich zum 1. FC Magdeburg. Zwar hätte er lange mit sich ringen müssen, ob er beim damaligen Schlusslicht der dritten Liga unterschreiben sollte. Doch der Zuspruch seiner Frau und seiner Familie habe ihm geholfen, einen letzten Versuch zu starten, in den Profifußball zurückzukehren.
Seitdem hat der Kreativspieler beeindruckende Zahlen hingelegt. In der Aufstiegssaison 2021/22 war er in 35 Spielen an 41 Toren beteiligt. Auch in der zweiten Liga hat er beim FCM seine Spuren hinterlassen. In 73 Spielen erzielte er 15 Tore und lieferte 18 Vorlagen.
Anschlag auf Magdeburger Weihnachtsmarkt
Aktuell ist er mit dem FCM auf einem guten Weg, die beste Zweitligasaison der Vereinsgeschichte zu spielen. Jedoch erlebte die Mannschaft auch schon einen extremen emotionalen Tiefpunkt. Beim Auswärtsspiel in Düsseldorf erfuhr die Mannschaft von dem Anschlag auf den Magdeburger Weihnachtsmarkt.
Als Atik nach seinem Tor in der 67. Minute euphorisch in Richtung des Gästeblocks lief, sah er, dass kein FCM-Fan mit ihm jubeln wollte. “Ich habe gedacht, ich habe ein Abseitstor geschossen. Ich war ein bisschen verwundert und habe mich umgeguckt, dann ging das Spiel weiter für uns”, schildert Atik die Situation.
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Nach dem 3:2 hätten die Auswechselspieler ihren Teamkollegen erzählt, dass etwas Schlimmes passiert war. Durch die Einblendung auf der Anzeigetafel erfuhren sie, was geschehen war.
Aber erst in der Kabine hätten Christian Titz und Otmar Schork den Spielern die Details erzählt. “Es war Totenstille. Da sind Tränen geflossen. Wir fühlen uns verbunden mit der Stadt und für uns war das eine Schocknachricht”, erklärt Atik.
Atik und Kaars: Das neue Traumduo des FCM
All diese Umstände haben die Mannschaft aber offenbar nicht aus der Bahn geworfen. Stattdessen spielt sie aktuell groß auf. “Ich freue mich, dass wir eine Saison haben, wo unsere Spielweise belohnt wird und wir auch gesehen werden”, freut sich der Angreifer über die große Aufmerksamkeit, die der FCM derzeit genießt.
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Doch während einige Fans schon von der Bundesliga träumen, bleibt der 30-Jährige bescheiden. “Wir sollten auf dem Boden bleiben. Ich glaube, wir können alle froh sein, eine sorgenfreie Saison zu spielen. Es gibt keinen Grund, uns Druck zu machen”, meint Atik, um später im Gespräch anzufügen: “Mein Ziel ist, mit dem FCM ganz oben zu spielen.”
Besonders gut versteht er sich auf dem Platz mit Topstürmer Martijn Kaars. “Er ist ein Spieler mit hoher Qualität. Der Stürmer, den wir gebraucht haben. Er gibt mir die Laufwege, die ich haben will”, lobt er den Knipser.