Weg zum Europapokalsieg 1974 (5) FCM feiert Sternstunde in Rotterdam: Die Wahrheit über die weißen Bademäntel
Zum Abschluss unserer Reihe über den Weg des 1. FC Magdeburg zum Europapokal-Sieg 1974 zeichnen wir heute die Tage rund um das Finale am 8. Mai vor 50 Jahren in Rotterdam nach.
Magdeburg/DUR – Der 1. FC Magdeburg feierte vor 50 Jahren – am 8. Mai 1974 – mit dem Gewinn des Europapokals der Pokalsieger den größten Triumph einer Fußballvereinsmannschaft aus der ehemaligen DDR.
Im Finale von Rotterdam bezwangen die Blau-Weißen den Titelverteidiger und großen Favoriten AC Mailand mit 2:0 (1:0). Über die Stationen NAC Breda (0:0, 2:0), Banik Ostrava (0:2, 3:0 n.V.), Beroe Stara Zagora (2:0, 1:1) und Sporting Lissabon (1:1, 2:1) hatten sich die Elbestädter für das Endspiel im Rotterdamer Kuip qualifiziert, kehrten genau in jenes Stadion zurück, in dem ihre Reise zum Europapokal-Triumph am 19. September 1973 mit dem Hinspiel gegen den holländischen Pokalsieger Breda begann.
Lesen Sie hier: Kantersiege und Klatschen des FCM im Europapokal
In den Tagen vor dem Finale überlegte sich Magdeburgs Trainerfuchs Heinz Krügel einen taktischen Trick, musste er doch auf den gelbgesperrten Klaus Decker verzichten. Für den fehlenden Decker, der das Finale daheim am Fernseher verfolgte, nominierte Krügel den weitestgehend unbekannten Helmut Gaube, der bis dahin nur auf 90 Einsatzminuten im Europapokal kam.
1. FC Magdeburg besiegt AC Mailand: Krügels Taktik-Kniff mit Gaube
Der 1961 als 15-Jähriger von Traktor Niederndodeleben zum FCM-Vorgänger SC Aufbau Magdeburg gekommene Gaube sollte Milan-Spielmacher Gianni Rivera an die Leine legen. Und das gelang „Terrier“ Gaube gegen den „Weltfußballer“ von 1969 mit Bravour.
Aufgeregt war Gaube beim Flug am 6. Mai von Berlin nach Amsterdam allemal, doch Coach Krügel redete den Diplomsportlehrer wie sein gesamtes Team stark.
Noch aufgeregter war nach der Ankunft in einem Strandhotel in Noordwijk an der holländischen Nordseeküste, in der Mitte zwischen Amsterdam und Rotterdam gelegen, offensichtlich Werner Heine. Der Ersatzkeeper bekam plötzlich „Magen-Darm“, sodass mit Bernd Dorendorf ein neuer zweiter Keeper nachreisen musste.
FCM 1974 im Finale: Keeper Werner Heine fiel mit Magen-Darm aus, Bernd Dorendorf reiste nach
Der wie Heine aus Halberstadt stammende, zwei Jahre jüngere Dorendorf saß am Finaltag gemeinsam mit dem früheren Cheftrainer Ernst „Anti“ Kümmel in einer der drei Interflug-Sondermaschinen mit „FCM-Fans“ auf dem Weg von Berlin-Schönefeld nach Amsterdam-Schipol.
Zum Einsatz kam Dorendorf am Abend im mit nur etwa 5000 Zuschauern gefüllten Rotterdamer "De Kuip" nicht, sah mit den anderen Wechselspielern Hermann, Mewes und Ohm, wie der FCM noch vor der Halbzeitpause durch ein Eigentor von Lanzi mit 1:0 in Führung ging (41. Minute). Beim 2:0 durch Seguin nach 74. Minuten jubelte dann schon die gesamte FCM-Bank siegessicher.
Flankengeber Axel Tyll erinnerte sich 50 Jahre später an die Entstehung des zweiten Treffers der Blau-Weißen: „Martin Hoffmann hatte aus vollem Lauf von links in die Mitte zu Jürgen Sparwasser geflankt. Dem versprang aber der Ball, sodass die Kugel zu mir kam. Ich hob den Ball weit an den langen Pfosten, wo Wolfgang Seguin wartete. Aus relativ spitzem Winkel jagte "Paule" den Ball, den er vorher hervorragend mitgenommen hatte, dann zum 2:0 unter die Latte.“
Die Wahrheit über die weißen Bademäntel bei der Siegerehrung
In Erinnerung daran wird seit Jahren bei jedem FCM-Heimspiel in der 74. Minute die offizielle Zuschauerzahl verkündet.
Die weißen Frotteebademäntel, die die FCM-Spieler nach Spielschluss zur Siegerehrung übergestreift bekamen, mussten sie später wieder an den Stadionbetreiber zurückgeben. Lange Jahre hielt sich das Gerücht, es seien Malimo-Bademäntel aus der DDR gewesen. Das stimmte aber nicht.
Lesen Sie hier: FCM-Idol, wie die Helden von 1974 vom DDR-Verband belohnt wurden
Schon 20 Jahre zuvor hielt die Rotterdamer Stadion-Gesellschaft solche Mäntel für Spiele bei Regen bereit. „Ich kenne niemanden, der damals seinen Mantel behalten halt. Erst bei der Feier zum 25. Jubiläum im Magdeburger Maritim-Hotel gab es solche Bademäntel als nachträgliches Souvenir“, so Axel Tyll.
Viele FCM-Stars verpassten die Titelfeier in Magdeburg
Der FCM-Mittelfeldspieler wäre übrigens gern gemeinsam mit Martin Hoffmann, Jürgen Sparwasser, Jürgen Pommerenke und Wolfgang Seguin am 9. Mai 1974 beim Empfang auf dem Alten Markt in Magdeburg dabei gewesen, doch flogen die DDR-Nationalspieler direkt weiter ins WM-Trainingslager nach Schweden.
„Später haben wir aber mehrfach in der Heimat nachgefeiert“, erinnert sich Axel Tyll noch heute gern an die Sternstunde des 1. FC Magdeburg vor 50 Jahren.
Diese Elf holte den Europapokal: Ulrich Schulze – Manfred Zapf - Detlef Enge, Helmut Gaube, Wolfgang Abraham – Jürgen Pommerenke, Wolfgang Seguin, Axel Tyll – Detlef Raugust, Jürgen Sparwasser, Martin Hoffmann